In der Übersicht: das leitfadengestützte Interview


In der Übersicht: das leitfadengestützte Interview
Inhaltsverzeichnis
  1. In der Übersicht: das leitfadengestützte Interview
  2. Was zeichnet ein Interview aus?
  3. Das Interview per Leitfaden
  4. Der Ablauf des Leitfadeninterviews
  5. Teil 1: Erstellung des Leitfadens
  6. Schritt 2 und 3: Durchführung und Analyse des Interviews
  7. Mit dem Leitfadeninterview forschen – abschließende Bemerkungen
Bei dem leitfadengestützten Interview (auch: Leitfadeninterview) handelt es sich um einen Gegenstand, genauer: eine Befragungstechnik, die von Experten genutzt wird, um qualitative empirische Sozialforschung zu betreiben (z.B. im Rahmen einer Bachelorarbeit, einer Masterarbeit oder einer Diplomarbeit). Genau wie bei diversen anderen Mitteln der Befragung stellt der oder die Studierende seinem/ihrem Gegenüber zuvor festgelegte Fragen. Im Vergleich zur “klassischen Informationssammlung” können diese jedoch wesentlich offener beantwortet werden. Somit ist die Vorgehensweise beim leitfadengestützten Interview weniger strikt als die von diversen anderen Methoden. Dieser Artikel liefert wichtige Infos über die spezielle wissenschaftliche Methode zur Befragung. Nachdem eine allgemeine Einführung in das Thema Interview sowie eine genaue Definition des Leitfadeninterviews gegeben wurden, werden nützliche Hinweise zur Durchführung vorgestellt.  
ANFRAGEN

Was zeichnet ein Interview aus?

Bei einem Interview handelt es sich allgemein um eine Form der mündlichen Befragung. Charakteristisch sind asymmetrisch verteilte Rollen, d.h. der oder die Interviewende stellt Fragen und sein bzw. ihr Gegenüber teilt Perspektiven, Sichtweisen und Erfahrungen zu dem bestimmten Thema mit. Ein weiteres typisches Merkmal ist, wie bereits erwähnt, dass in einem Interview – z.B. im Gegensatz zu einem Fragebogen, bei dem die Fragen- und Antwortkategorien vorgegeben sind – ausschließlich offene Fragen gestellt werden. Anders ausgedrückt: Die Antworten im Interview werden frei gegeben.

Beispiele für offene Fragen:
  • Was zeichnet für dich eine gute Unterrichtseinheit aus?
  • Wie bist du dazu gekommen, ein Lehramtsstudium zu absolvieren?
  • Kannst du mir deinen schulischen Werdegang erläutern?

Das Interview per Leitfaden

Der Begriff leitfadengestütztes Interview umfasst mehrere Typen von qualitativen Interviews, eben solche, die sich eines Leitfadens bedienen. Hierunter fallen beispielsweise das Experteninterview, das problemzentrierte Interview sowie das fokussierte Interview. Der Leitfaden richtet sich dabei nach der übergeordneten Forschungsfrage (der Diplomarbeit u.Ä.) und es können auch konkrete Fragen gestellt werden, wobei aber in jedem Fall darauf zu achten ist, offene Fragen zu formulieren und keine Antwortmöglichkeiten zu präsentieren. Darüber hinaus zeichnet sich das Leitfadeninterview durch eine flexible Reihenfolge aus (= der Forscher kann das Gespräch inhaltlich lenken); die Kommunikationsweise ist offen erzählend. Es ist darauf zu achten, sämtliche Aspekte des Leitfadens abzuhandeln.
  • Merke: Der Leitfaden erfüllt die Funktion einer Art flexible Checkliste für das Gespräch. Er dient der Strukturierung des Interviews und ist hilfreich für die Auswertung der Informationen. Letztere erfolgt mittels Kategoriensystem o.Ä.
Die fünf Regeln für die Forschung mittels Leitfadeninterview
  1. Offenheit der Fragestellungen
  2. Die Reihenfolge ist nicht vorgeschrieben (= Flexibilität des Forschers)
  3. Der Leitfaden ist im Gespräch einzuhalten (Stichwort Vollständigkeit)
  4. Der Umfang beträgt max. 20 Seiten
  5. Die Sprache ist möglichst alltagstauglich zu halten und zwar auch im Experteninterview
  • Hinweis: Klassische Themen für eine Befragung nach den obigen Kriterien sind biographische Hintergründe sowie Themen aus dem industriellen Bereich.

Der Ablauf des Leitfadeninterviews

Unabhängig vom Thema (der Arbeit des zukünftigen Absolventen) sind die folgenden Schritte Bestandteil der Durchführung eines leitfadengestützten Interviews:
  1. Erstellung des Leitfadens
  2. Durchführung des Interviews
  3. Analyse bzw. Auswertung der gesammelten Daten.

Teil 1: Erstellung des Leitfadens

Der Leitfaden setzt sich aus einer Einführung in das Thema, offen formulierten Fragen sowie einem Beiblatt zusammen. Letzteres dient dem Aufschreiben von wichtigen Notizen (Ort, Zeit, interviewte Personen etc.). Der Leitfaden führt wie ein roter, aber nicht verbindlicher, Faden durch das Gespräch. Für das Formulieren von offenen Fragen sollten die folgenden Aspekte berücksichtigt werden.
  • Die Fragen dürfen keinen Hinweis in Bezug auf die Art der Beantwortung und schon gar nicht mögliche Antworten beinhalten.
  • Die Fragen werden an die Ausdrucksweise der interviewten Personen angepasst und sind allgemein möglichst einfach und klar zu formulieren (z.B. durch den Verzicht auf überflüssige Fachbegriffe).
  • Sie zielen auf konkrete, dem Befragten gut bekannte Situationen ab.
Diese Fragetypen sind für das Leitfadeninterview tabu
  1. Aufzählungs- und andere geschlossene Fragen, auf die mit wenigen Wörtern geantwortet werden kann (z.B. “Wie wertvoll ist deiner Meinung nach der Förderunterricht?”)
  2. Suggestivfragen (“Du vertrittst doch auch die Meinung, dass…”)
  3. (Zu) persönliche Fragen (“Was machst du morgens nach dem Aufstehen als erstes?”)
  4. Sogenannte ritualisierte Alltagsfragen (“Wie findest du…?”) 
  5. Begründungsfragen (“Warum hast du dich nicht an dem Projekt beteiligt?”)
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Schritt 2 und 3: Durchführung und Analyse des Interviews

Nachdem der Leitfaden erstellt wurde, folgen die Gesprächsführung sowie die Auswertung der gesammelten Informationen. Um den Rahmen dieses Artikels nicht zu sprengen, werden abschließend lediglich einige Hinweise zu diesen beiden Schritten gegeben:
  • Die Interviewpartner sind je nach Thema und Forschungsinteresse (Besonderheiten beachten!) auszuwählen und zu kontaktieren
  • Die Auswahl der Gesprächspartner kann top down (nach zuvor festgelegten Merkmalen und Kriterien) als auch bottom up (während des Forschungsprozesses, sprich: nach neu auftauchenden Aspekten) erfolgen
  • Die Qualität der Interviewpartner/-innen und somit auch der Stichprobe steht vor deren Quantität, also dem Umfang
  • Für mittelgroße Forschungsprojekte (beispielsweise im Studium) haben sich Interviewgruppen mit 12 bis 15 Personen als ausreichend erwiesen
  • Mehr als 15 Interviews führen in solchen Projekten zu keinen neuen Erkenntnissen (Stichwort theoretische Sättigung)
  • Werden weniger als 12 Personen interviewt, muss auf eine möglichst große Variation (= unterschiedliche, individuelle Personen) geachtet werden, um Beobachtungen machen zu können 
  • Das allgemeine Ziel der Analyse besteht in dem Verständnis der Bedeutung des gesammelten Materials
  • Für die Analyse gibt es verschiedene Systeme und Programme (Software).

Darüber hinaus muss die Anonymität der Gesprächspartner gesichert sein, d.h. es dürfen keine Angaben zu den beteiligten Personen gemacht werden. Um die Interviews aufzuzeichnen, sollte ein Memo Gerät o.Ä. verwendet werden - die Nutzung eines Handys bzw. Smartphones wirkt unprofessionell.

Mit dem Leitfadeninterview forschen – abschließende Bemerkungen

Ein leitfadengestütztes Interview bedeutet viel Aufwand und die Durchführung bedarf einiger Übung. Hat man sich mit dem Ablauf vertraut gemacht, handelt es sich allerdings um eine sehr gute Methode, um qualitative empirische Sozialforschung zu betreiben. Um von der Befragungstechnik Gebrauch zu machen, sollte man, neben diesem Beitrag, ein Werk der Fachliteratur zu Hilfe nehmen.
  • Tipp: Sind Begründungsfragen für ein Thema unvermeidlich, müssen sie die Form einer Aufforderung zur Beschreibung aufweisen. Beispiel: “Welche Gründe sprechen für den Förderunterricht und welche gegen ihn?”.